Sie können auch parallel mitlesen.
Mehrfach wollten die Oberen der Juden Jesus bereits festnehmen lassen, aber es gelingt nicht:
Als die Männer der Tempelwache zu den obersten Priestern und den Pharisäern zurückkamen, fragten diese: „Warum habt ihr ihn nicht hergebracht?“ „Noch nie haben wir einen Menschen so reden hören“, erwiderten die Männer. „Hat er euch denn auch verführt?“, herrschten die Pharisäer sie an. „Glaubt denn ein einziger von den Oberen oder den Pharisäern an ihn? Das macht doch nur dieses verfluchte Volk, das keine Ahnung vom Gesetz hat!“
Da sagte Nikodemus, der selbst ein Pharisäer war und Jesus einmal aufgesucht hatte: „Verurteilt unser Gesetz denn einen Menschen, ohne dass man ihn vorher verhört und seine Schuld festgestellt hat?“ „Bist du etwa auch aus Galiläa?“, gaben sie zurück. „Untersuche doch die Schriften, dann wirst du sehen, dass kein Prophet aus Galiläa kommt!“ Dann gingen sie alle nach Hause.
Die Bibel, Johannes-Evangelium 7,45-53
Nikodemus versucht, Voreingenommenheit zu lösen: Man kann Jesus anhören und anschließend eine gerechte Entscheidung treffen. Das Problem ist, dass jene Oberen ihre Entscheidung gegen Jesus bereits getroffen haben. Zu ihrem Missfallen sprechen objektive Gründe für Jesus: Er kann nicht aufgrund eines Fehlverhaltens festgenommen und verurteilt werden, denn es ist keines zu finden. Hingegen hörte inzwischen jeder weit und breit von den vielen liebevollen Wunderzeichen, mit denen Jesus Menschen hilft. Zudem ist es zutiefst beeindruckend, mit welcher Vollmacht Jesus spricht. Der blufft nicht, der hat göttliche Autorität, das beweisen seine Taten. Aber genau diese Beweisführung wollen die Oberen der Juden verhindern. Sie wollen es verhindern auf der Grundlage von Gottes Wort:
Die Juden berufen sich auf alttestamentliche Schriften. Es sind die gleichen, auf die sich auch Jesus selbst bezieht. Jesus bezeichnet diese Schriften als unvergänglich (vgl. Matthäus 5,17-20). Weil Gott, der Allmächtige, für Menschen unfassbar ist, können wir sein Wort jedoch missverstehen. Bis heute ist es möglich, Gottes Wort absichtlich oder unabsichtlich falsch zu interpretieren:
Beispielsweise kann man die Lebendigkeit des Schöpfergottes zu einem kalten, gesetzlichen Vorschriftenwerk erklären. Dann bekommt man plötzlich statt des liebevollen, barmherzigen Gottes, der persönliche Beziehung zu jedem einzelnen Menschen sucht, einen harten, unnahbaren, auf kleinlicher Fehlersuche beharrenden Richtergott.
Oder man betont die Gegenseite: Gott ist Liebe; seine Gerechtigkeit wird vernachlässigt. Dadurch wird Gott zu einem netten Opa degradiert, der unser Fehlverhalten übersieht und Böswilligkeiten nicht gerecht ahndet.
Fehlinterpretationen basieren auf menschlichen Deutungen; Gott wollte hingegen von Anfang an vor allem eine starke Beziehung zwischen Gott und Mensch. Nur durch Gottesbeziehung lernen wir Gott besser kennen. Unsere Fehleinschätzung und unser Unverständnis wird innerhalb einer persönlichen und aktiven Gottesbeziehung beständig korrigiert und weiterentwickelt. Als Jesus-Nachfolger haben wir Gottes Wort und seinen Geist. Schauen wir genau hin, Gott will uns helfen, gute Entscheidungen zu treffen:
Während Jesus ein hohes persönliches Risiko eingeht, um den Leuten aus dem Volk eine freie Entscheidung zu ermöglichen, sprechen die Oberen der Juden abfällig von dem „verfluchten“ Volk, das keine Ahnung hat. Wollen diese Führungspersönlichkeiten wirklich das Volk vor einem Verführer schützen? Kämpfen sie aufrichtig im Namen Gottes für die Wahrheit?
Das religiöse Streben der Oberen der Juden führt zu Härte und Überheblichkeit, ja sogar zum Beiseiteschieben von Recht und Wahrheit. Ich finde das nicht erstrebenswert: in keiner Religion, in keiner Ideologie!
Hingegen bin ich gut aufgehoben bei dem liebevollen Schöpfergott, der mich als Persönlichkeit wertschätzt und meine Entscheidung akzeptiert. Das ist zugleich der Schlüssel zu einem neuen menschlichen Miteinander unter Gottes schützenden Maßstäben.
Nicht nur Andersgläubige, auch Christen können sich festfahren in Voreingenommenheit oder Fehleinschätzung. Sollen wir ‚vorschriftsmäßig‘ glauben? Nikodemus riet damals, Jesus offen zu begegnen.
Diese Etappe ist ein Plädoyer für eine lebendige, aufrichtige Gottesbeziehung. Jesus ermöglicht und wünscht sich Gemeinschaft, statt starrer Vorschriftenbefolgung. Wollen wir wirklich verstehen, was Gott meint?
Tamara Schüppel
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