Sie können auch parallel mitlesen.
Jene Frommen wollten alles richtig machen. Sie wollten sich klar abgrenzen gegen Leute, die ihren Glauben wenig ernst nahmen und gegen solche, für die Gottesfurcht zu einer Weltanschauung ohne persönliche Konsequenzen geworden war. Auf ihre hervorragenden Grundsätze und das genaue Befolgen von Gottes Wort waren sie stolz. Selbstbewusst prüften sie Jesus nach ihrem theologischen Verständnis. Sie erwarteten Gottes Wertschätzung und sein Wohlwollen für ihr Tun. Jesus, der menschgewordene Gott, spricht diese Leute ganz direkt an:
„... Ich bin nicht darauf aus, von euch geehrt zu werden, weil ich weiß, dass ihr Gottes Liebe nicht in euch habt. Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und ihr lehnt mich ab. Wenn dann ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, empfangt ihr ihn gern. Kein Wunder, dass ihr nicht glauben könnt, denn bei euch will ja nur einer vom anderen Anerkennung bekommen. Nur die Anerkennung bei dem einen wahren Gott sucht ihr nicht.
Denkt nicht, dass ich euch beim Vater anklagen werde. Mose wird das tun, der Mose, auf den ihr eure Hoffnung setzt. Denn wenn ihr Mose wirklich geglaubt hättet, würdet ihr auch mir glauben, denn er hat ja von mir geschrieben. Wenn ihr aber nicht einmal glaubt, was Mose geschrieben hat, wie wollt ihr dann meinen Worten glauben?“
Die Bibel, Johannes-Evangelium 5,41-47
Warum tritt Jesus diesen Frommen so hart entgegen? Sie bemühen sich doch intensiv um genaue Einhaltung der göttlichen Gebote.
Jesus sieht jedoch die echten Motive hinter der frommen Fassade: Letztlich geht es denen gar nicht um Gott. Stattdessen verteidigen sie ihre eigenen Ansichten. Sie leben eine Religion, in deren Mittelpunkt sie selbst stehen. Einer will vom anderen Ehre bekommen. Ihre Theologie ist unbemerkt zu Egologie geworden.
Die Chance für diese Menschen liegt in der Selbsterkenntnis ihrer Motive. Deshalb macht Jesus offenbar, was in ihnen wirklich vorgeht: Nicht überall, wo gottesfürchtig draufsteht, ist gottesfürchtig drin. Jesus packt das Problem bei der Wurzel und stellt pragmatisch fest: „Kein Wunder, dass ihr nicht glauben könnt.“ Diese Leute standen sich mit ihren falschen Motiven selbst im Wege. –
Sind Sie Christ? Ich bin schon lange mit Jesus unterwegs. Bevor wir uns selbstgerecht zurücklehnen, lohnt sich ein Blick ins eigene Leben: Was wollen wir wirklich erreichen? Wem machen wir etwas vor? Suchen wir vorrangig Anerkennung bei Menschen? Erstreben wir Anerkennung bei Christen, damit alle sehen, dass wir recht haben? Und wie ernst wir unseren Glauben nehmen? Oder geht es um Anerkennung bei Atheisten und Anhängern anderer Religionen, damit die sehen, wie fortschrittlich unser Glaube ist? Und wie bemerkenswert wir sind? – Oder geht es wirklich in erster Linie um Anerkennung bei Gott?
Jesus erwartet gar nicht, dass wir alles richtig machen. Er weiß, dass wir es nicht schaffen und will uns Vergebung und Rettung schenken. Er sieht längst die Flecken hinter unserer scheinbar makellosen Fassade. Wir brauchen ihm nichts vormachen. Aber wir können uns aufrichtig an Gottes Recht orientieren. Wir können liebevoll und barmherzig miteinander umgehen. Und wir können einsichtig mit Gott durchs Leben gehen. (vgl. Micha 6,8)
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man die Anerkennung von Menschen verlieren kann, während man von ganzem Herzen auf Jesus zuläuft. Es ist gar nicht so selten, dass man auch die Wertschätzung von Christen verliert. Manchmal geht es dabei nur um Missverständnisse, die man nicht so leicht ausräumen kann. Was tun wir, wenn Menschen uns ablehnen, weil wir Gott von ganzem Herzen gefallen wollen?
Für Jesus ist Gottes Liebe kein Argument für einen Billigfrieden auf niedrigem Level. Jesus zeigt uns, dass Gottes Liebe durchaus klare Abgrenzung von Andersdenkenden beinhaltet. Er führt keine Hassreden oder Gewaltakte gegen diese Menschen. Jesus benennt deutlich die wahren Motive und weist auf Konsequenzen hin. Die Entscheidung überlässt er jedem selbst.
Kann es sein, dass wir eine falsche Vorstellung von Gottes Liebe vertreten? Eine alles vereinende Vorstellung, die andern Menschen die Chance nimmt, ihre Fehler zu erkennen und zum liebenden Gott umzukehren? Kann es sein, dass wir uns hinter einer unrealistischen Floskel von Gottes Liebe verstecken, um nicht anzuecken und Profil zeigen zu müssen?
Sind wir hochmütig und stolz geworden auf unser scheinbar fleckenloses Christsein mit gut versteckten Dreckecken, die keiner sieht?
Wem wollen wir mit unserem Verhalten vorrangig gefallen? Gott oder Menschen?
Tamara Schüppel
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