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Das Passafest ist das Fest der Freiheit: Immer gewalttätiger hatten die Ägypter ihre israelitischen Einwohner beherrscht und bedrückt. Dann kam die ganze Sklavennation endlich frei. Die Israeliten durften, ja sie mussten Ägypten über Nacht verlassen. Gott hatte eingegriffen! Zur Erinnerung daran wurde jedes Jahr in Israel das Passafest gefeiert. Freiheit ist ein hohes Gut, Freiheit ist schützenswert.
Weit mehr als 1000 Jahre war die Tradition des Passafestes schon alt, als Jesus in Israel unter der Besatzungsmacht der Römer lebte. Die religiösen Führer seines eigenen Volkes, die sich auf den Schöpfergott beriefen, betrieben gerade ganz offensichtlich Rechtsbeugung. Jesus, der Sohn Gottes, weiß, dass man ihn wenige Stunden später zu Unrecht verurteilen und hinrichten wird. Er kennt sogar den eigenen Verräter unter seinen engsten Vertrauten. Aber Jesus möchte die Menschen vom Fluch der Sünde befreien. Es geht ihm nicht nur um seine Freunde. Jesus ist in seinem Inneren erfüllt von Liebe, sogar zu seinen Feinden. Aus dem jüdischen Passafest der Freiheit gestaltet Jesus ein Freiheitsangebot für jedermann (Matthäus 20,28, Epheser 2,11-22). Weil ihn nicht einmal seine Schüler zu diesem Zeitpunkt verstehen, möchte Jesus ihnen seine Gesinnung, die Grundlage seines Tuns, nochmals begreiflich machen:
Das Passafest stand jetzt unmittelbar bevor. Jesus wusste, dass die Zeit für ihn gekommen war, diese Welt zu verlassen. Nun bewies er den Seinen in dieser Welt das ganze Ausmaß seiner Liebe. Es war beim Abendessen. Der Teufel hatte Judas, den Sohn von Simon Iskariot, schon zu dem Plan verleitet, Jesus zu verraten. Jesus aber wusste, dass der Vater ihm uneingeschränkte Macht über alles gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und bald wieder zu Gott zurückkehren würde. Er stand vom Tisch auf, zog die Oberkleidung aus und band sich ein Leinentuch um. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Tuch abzutrocknen, das er sich umgebunden hatte.
Die Bibel, Johannes-Evangelium 13,1-5
Jesus weiß, dass sein gewaltsamer Tod nahe bevorsteht. Gleichfalls weiß er, dass Gott ihm uneingeschränkte Macht gegeben hat. Was würden Sie in dieser Situation tun?
Die Leute erwarteten, dass Jesus Freiheit für sein Volk von der Besatzungsmacht der Römer bewirken sollte. Er könnte auch anderweitig seine göttliche Vollmacht beweisen, er könnte seine Feinde im eigenen Volk vernichten und sich selbst ein Denkmal setzen. Viele würden sich noch einen letzten Wunsch erfüllen und die verbleibende Zeit genießen. Jesus hingegen möchte seinen engsten Vertrauten seine Liebe beweisen:
Dass man sich die Füße vom Straßenstaub wäscht, war nötig und üblich. Allerdings war dies die Arbeit der Sklaven oder jedenfalls des Rangniedrigsten aller Anwesenden. Möglich war auch ein Selbstbedienungsmodus. Nun erniedrigt sich Jesus, der Sohn Gottes, und übernimmt diesen „Sklavenjob“. Mit Selbstverwirklichung hat es sicher nichts zu tun, auch nicht mit zur Schau gestellter Frömmigkeit. Mitten in gesellschaftlichen Zwängen und angesichts eines Verräters unter seinen engsten Vertrauten zeigt Jesus seine Menschenliebe, indem er demütig und freundlich das Notwendige tut, das keiner tun will.
Sicher konnte keiner der Anwesenden je vergessen, was Jesus für sie tat. Erst nach und nach verstanden seine Schüler diese Lektion: Echte Größe wird bei Gott am Maß der Liebe gemessen.
Wie können wir bei uns diese Persönlichkeitsentwicklung fördern?
Demut ist Mut zum Dienen, das ist sicher nachahmenswert. Jedoch ist diese Begebenheit kein Aufruf, jede Unterdrückung willig anzunehmen und dadurch Diktatoren in ihrem bösen Tun zu bestärken. Man kann auch diesbezüglich Bibelstellen aus ihrem Zusammenhang reißen und unsachgemäß anwenden. Bitte benutzen wir unseren gottgegebenen Verstand! Gottes Geist wird uns leiten, wenn wir darum bitten. Lassen wir unseren Blick von Gott weiten. Lassen wir uns vor allem mit Liebe für unseren Nächsten beschenken: Was ist in Gottes Sinn gut und hilfreich für Menschen in unserem Umfeld?
Bei Gott geht es vorrangig darum, wer wir in unserem Inneren sind. Denn unser Tun ist Ausdruck unserer Gesinnung. Denen, die intensiv mit Jesus unterwegs sind, garantiert Jesus eine gute Persönlichkeitsentwicklung. Gott beurteilt unsere Größe aufgrund unserer Liebe (vgl. 1. Johannes 4,7-12).
Diese Begebenheit der Fußwaschung regt mich an, wieder neu zu staunen über Gottes Liebe. Jesus verzichtet freiwillig auf seine Macht; er will stattdessen unser Heil bewirken. Jesus liebt uns so sehr, dass er uns dient. Wie erwidere ich seine Liebe?
Tamara Schüppel
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